Reifentemperatur, Grip und Laufleistung und Handling

Ich dachte es sind immer 2 Faktoren für die Haftfähigkeit zuständig. Das eine ist der Reifen und der rollt doch auf der Straße. Der beste Reifen muss eine Fläche zum Verzahnen finden, soweit ich weiß

Sehe ich auch so. Wie ich jetzt festgestellt habe (und schon immer irgendwie geahnt...) wenn das Fahrwerk nicht stimmt, gibt es zwei Möglichkeiten die Fläche zu verlieren, die Verzahnen könnte:
a) Federweg nach unten ist am Limit: Reifen dotzt ungefedert (Positivfederweg ist aufgebraucht!) über Wellen und Hubbel und das Rad hebt für einen Moment ab -> Ende der Verzahnung
b) Federweg nach oben ist aufgebraucht und der Negativfederweg fehlt, um nach einer Bodenwelle das Rad "nach unten" aus der Feder zu drücken -> Ende der Verzahnung

Dass man wie ich auch über eine überdämpfte Zugstufe stolpern kann, oder bei zu dichter Druckstufe unkontrolliert durch Kurven dotzt erklärt sich, wenn man die Funktion und Wirkungsweise des Systems bei dynamischer Beanspruchung durch unebenen Belag, bzw. Bedienereingriff (Beschleunigung, Bremsen, Gewichtsverlagerung etc) zuende denkt.

Meistens ist die Schräglagengrenze im Kopf, niedrige Reisemaschinen wie VFR oder CBF1000 warnen dich schon sehr früh. Ist aber für den Straßenverkehr und dessen Beläge schon in Ordnung, denke ich. Wer meint, dass er damit im Straßenverkehr Sportreifen benötigt, welche er noch weniger ins Temperaturfenster bekommt und breite Sicherheitsstreifen drauf hat soll es machen. ...

Der soll es nicht, aber der kann es machen. Brauchen tut's bei der CBF sicherlich keiner - es sei denn die Kontur des Sportreifens erleichtert das Handling, oder die teils etwas höhere Stabilität der Karkasse fördert das Wohlfühlen in Schräglagen. Was Haftungsvermögen angeht, sind Tourenreifen schon richtig gut - und je sportlicher sich ein Reifen bei sommerlichen 30 Grad fahren lässt, desto zickiger wird er dann wenn's mal nur 10 Grad oder drunter hat und dann auch noch feucht wird...

Ich befürchte, dass es wenn einem an der CBF der Grip ausgeht, weniger am Reifen, als an der Werksabstimmung des relativ einfachen Feder-Dämpfer-Kombination liegt... bzw. an gealtertem Dämpferöl, mit dem dann die Werksabstimmung nichtmehr korrekt funktioniert.

Wie groß der Unterschied ist zwischen "korrekt funktioniert" und "wird gefährlich" habe ich grad an meiner Huddel gemerkt, mit der ich nach geringfügiger(!) Dämpferanpassung die "komischen Ecken" auf der Hausstrecke ungewohnt entspannt durchfahren kann... dass das Fahrwerk nicht stimmt, hätte ich vor zwei Wochen nicht gedacht... jetzt weiß ich das.

Beispiel: mit "kaputtem" Fahrwerk (Handbuch Grundeinstellung) hatte ich bei grenzwertigem Fahrgefühl Chickenstripes auch auf der gut bekannten Hausstrecke - nach der Anpassung war ich ziemlich entspannt an der Reifenkante. Ob das dann noch "vernünftig gefahren" ist, steht auf einem anderen Blatt... aber in Grenzsituationen ist offenbar der technische Spielraum weitaus größer, als vorher und das ist der Punkt um den es eigentlich geht. Durch gewohnheitsmäßiges Ausnutzen dieses Spielraums, wird die gewonnene Luft natürlich wieder dünner... das sollte man sich also für sichere Umgebungen wie den Kringel aufheben, wo man sicherer die Maschine (und den Kopf!) ans Limit fahren kann, als im fließenden Verkehr...
 
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Dazu mal meine kleine Erfahrungen mit Reifen und Fahrwerk.

Wenn jemand viel Feingefühl für das Fahrwerk und Reifen hat finde ich das gut. - Ich habe es nicht, nur meine Erfahrung:
Michelin hatte mal den Makadam90 hergestellt, später auch Holzreifen genannt.
https://www.reifendirekt.de/cgi-bin...ifen&rt_profil=107110198&language=DE&dsco=100
Ich kaufte nach Empfehlung den teuersten und besten Tourenreifen für meine neue gebrauchte Sevenfifty weil mir einige Tage nach Südtirol fahren wollten. - Der hätte mir das Leben kosten können. Wir starteten, ich glaube es war der 10.10.1999.
Der Reifen war zu dem 3 Jahre alten Dunlop eine andere Welt. Auf dem Gaviapass machten wir eine Pause. Es war schon recht kühl, unter 10°C, bedeckt und mussten keine Klamotten ablegen. Nach ca. 30min. fuhren wir wieder los.
Eine Crossmaschine mit älteren Stollenreifen, ne Africa Twin mit älteren Enduro Reifen, meine Wenigkeit und hinter mir mein Nachbar mit seiner NTV und Makadam50 Reifen.
Nach ca. 200m geht es in eine Linkskurve. Der Ruck beim Gaswegnehmen reichte aus daß es mich quer stellte und ich im Bankett war. Beim 2. Gegenlenken kam ich wieder quer auf die Straße, was mit meinem Abwurf endete. Das Moped blieb an einem Straßenstein hängen und ich purzelte voll Protektiert die Felsenböschung hinunter. Mein Nachbar hatte das sehr verwundert beobachtet.

Ich krabbelte wieder zur Straße hoch und meine Kumpels (3 Krankenpfleger) legten mich erst mal ne Weile hin. Dann bastelten wir mein Moped wieder fahrbar und fuhren weiter ans Reiseziel. Unsere Reisestrecke war gute 400km von mir bis ans Ziel. – Zum Glück bin ich damals weitergefahren. Die Schmerzen der Prellungen musste ich beim Fahren vergessen.
Ich machte am nächsten Tag alle möglichen Versuche den möglichen Fehler am Reifen zu finden, mit driften im 1. Gang beschleunigen, alle möglichen Bremsversuche und ich konnte nichts finden. Am 3. Tag machten wir auf dem Sellajoch eine Pause, kühl und bedecktes Wetter. Unter 10°, wir hatten die Jacken nicht ausgezogen beim Café im Freien. Als wir wieder Losfuhren, ich wieder als 3., wurde nach ein paar 100m in einer Rechtskurve wieder vom abschmieren des Motorrads überrascht. Mit Fußstempel und Balancieren hatte sich das Moped bis zum linken Straßenrand wieder beruhigt. Das war das AH- Reifenerlebnis. Abgesehen davon war der Reifen bei Regen und kühlen Wetter nicht Fahrbar, darum war er dann auch als Holzreifen bekannt.
Den Prozess gegen Michelin hatte ich in erster Instanz dank Werner Koch (Herr der Ringe) gewonnen, welcher auf dem Fahrsicherheitscenter in Kempten ein Gutachten erstellt hatte und dabei feststellte: Der kalte Reifen ist unter 10°C schwierig zu fahren.

Herrn Sumser von Michelin hatte das nicht erfreut. – Meines Wissens verunglückte später mal mit dem Motorrad bei einer Testfahrt, auch wie ich mit einer Gehirnblutung und Folgen.
Michelin verhandelte mit mir, wenn ich die Anklage zurückziehe bekomme ich den materiellen Schaden, ein Fahrsicherheitstraining auf dem Ring und zukünftig kostenlos Reifen. Naja, gegen einen Weltkonzern und ihren Anwälten; ich habe eingewilligt. Den ersten Satz Reifen, die 1. Road Serie habe ich auf dem Nürburg GP- Ring beim Sicherheitstraining gefahren.

Nun, das war eine Erfahrungswerte Sache.
1. Es gibt nur eine Federeinstellung für die Maschine, - hinten ganz oben.
2. Dass das Moped so durstig sein kann.
3. Wenn ich damit mit Sportmaschinen mindestens mithalten wollte, gab es nur 2 Einstellungen: Ausbremsen und in der Kurve, schneller sein und Vollgas Wenn es länger gerade geht, kommen sie schon wieder - Danach feilten sie an ihrer Fahrwerkseinstellung und fragen mich was ich an der Maschine alles gemacht habe. Die Antwort; „Vergaser magerer eingestellt, Lenkererhöhung und Motorinnenbeschichtet“ glaubten sie scheinbar nicht.
4. Wenn unter 70km/h der Auspuff kräftig aufsitzt fliegst du von der Straße weil das Metall zu wenig Gripp hat und die Zentrifugalkräfte der Reifen zum Stabilisieren zu wenig sind. - Ein kleiner Auspuffrutscher bei 180km/h stabilisiert sich.
5. Den Fallverschleiß hätte ich mir mit weniger Euphorie sparen können und ich weiß warum ich die Bremsklötze vorne vorher erneuern hätte sollen und die Bremsscheiben auch andere Farben bekommen können.

Nach dem 2. Satz Reifen war für Michelin „zukünftig“ vorbei – dann kaufte ich sie wieder. Abgesehen davon, seitdem Prozess steht bei Michelin: Der Reifen muss bei jeder Fahrt erst „Warmgefahren“ werden. –

(Bei dem Fahrsicherheitstrainng (Bild) war wohl die Wartezeit zu lange, eine Fahrrunde vorher driftete auch mal das Hinterrad, das war aber leicht zu steuern. Bei der schnell angefahrenen Fallrunde gab es keine Ankündigung, das Rad schnellte einfach weg und der Auspuff hat keinen Gripp. Es war ein kühler Frühlingstag.)

Im Sommer 2004 montierte ich hinten den alten angefahrenen Makadam 90 wieder, vorne war der Road. Dann waren ein paar Tage Pässe mit einem Bekannten angesagt, der hat eine VFR. Am Ausgang einer Passkurve hatte er mich rechts Überholt. Mit dem Joghurtbecher fuhr ich damals auch Probe. Zuhause waren die Reifen seitlich glatt, der alte Holzreifen war warm toll zu fahren.

2005 kaufte ich meine VFR mit neuen Bridgestone Reifen. Dann montierte ich immer die Franzosen.
(Ok, über Jahre war ich von Michelin überzeugt. – Zumindest liefen sie alle 100% rund im Gegensatz zu Bridgetone. Der Road3 hat jedoch ein Kippmoment bei bestimmter Schräglage, das kann auch störend sein.)
Letztes Jahr montierte ich den Roadtec 2 auf die VFR. Damit fährt sie sich noch besser als mit den Franzosen. – Das sind dann die Reifeneigenschaften, welcher jeder nur selbst beurteilen kann.

Was im Hintergrund von den Testberichten abläuft ist zum Teil auch nur Gefühlssache.

(Bei einem Autotest wurde Fiat negativ gegenüber VW Golf beurteilt weil die Türen zu weit öffnen und Mann oder Frau sich zum Schließen weit Strecken müssen. Beim anderen Test wurde VW, ich glaube Passat, positiv getestet weil weit öffnende Türen das Einsteigen erleichtern. – Alles OK.)

Sicher haben Nässebremstest eine gewisse Aussage, aber Sicherheit fängt nun mal im Kopf an.

Es gibt inzwischen für jede Bodenwelle und Belag die ideale Fahrwerkseinstellung. Mir ist das zu viel, ich konzentriere mich lieber auf die Straße und versuche dementsprechend zu fahren als mein Fahrwerk mit Lenkermäusekinobedienung auf Straßen einzustellen, welche ich noch nicht kenne.

Michelin hat einen Reifen ohne oder fast keinen Verschleiß entwickelt. Aber Ruß verkaufen ist doch positiv für die Wirtschaft. Außerdem finde ich die mindest Provieltiefe von 1,8mm sehr gut, damit ich bei der großen Auflagefläche auch genügend Wasserverdrängung habe, vor allem wenn eh kaum Profil vorhanden ist und Alle bei Nässe immer am Limit fahren. – Ausgenommen die Reifentester auf Teststrecken.
Auf meiner 68 Jahre alten Triumph sind noch die 1. Reifen montiert.

Helmut Dähne hat 1993 einen Rekord mit damaligem Motorrad und Reifen aufgestellt, welcher aus heutiger Sicht und Entwickelung von Technik und Reifen gar nicht sein darf. Oder?
Bei dem Kaspertheater, welches inzwischen mit allen Sachen gemacht wird muss ich schon Aufpassen damit ich am Boden bleibe. Wer etwas mehr wissen will als Presse kann ja mal schauen: https://www.slimlife.eu/

Mein Nachbar, welcher 1999 hinter mir fuhr, hatte meine NTV gekauft weil er von seiner CBX550 an einer Kreuzung abgeschossen wurde. Nach dieser „Michelin- Tour“ hat er das Mopedfahren aufgehöhrt.

Am WE mache ich eine Fahrradtour ohne 1,8mm Profiltiefe.

Wünsche euch eine schöne WE Tour.

Gruß Willi
 
Wahre Worte, Willi. Aber die Welt fragt heute nach Einstellschräubchen. Oder besser noch nach Elektronik, die das von seber macht. Ist ja auch Langweilig nur zu fahren!

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Willst Du in gekürzter Form damit ausdrücken, dass die Reifen immer halten, wenn man dran glaubt? Und nur dann nicht halten wenn man zweifelt?

Ich sehe das Ganze eher als komplexes regelungstechnisches System, das trotz beliebiger Störungen von außen, stabil und beherrscht bleiben soll. Sobald das System an eine Grenze kommt - egal ob wegen Reifen, Fahrwerk, Untergrund oder Benutzereingriff - verhält es sich unerwartet und nichtlinear. Es wird in diesem Moment unklar, welcher Benutzereingriff das System wieder in einen beherrschbaren Zustand bringt. Tür und Tor weit offen für eine Interaktion, die schief gehen kann.

Und eins noch: "Mithalten wollen" schien Dir damals wohl wichtig, halte ich aber für eine ungünstige Fahrmotivation. Entweder man bleibt in seinem Wohlfühlbereich dran, oder man lässt den Schnelleren ziehen... so einfach ist das. Wenn der Schnellere nicht auf mich wartet, soll der seinen Spaß alleine haben.

Dass einer schneller ist, kann vielfältige Gründe haben:
- mehr Risikobereitschaft bei gleichem Material
- bessere Kenntnis über technische Grenzen des Systems
- weitere Grenzen des Systems und somit erhöhter Handlungsspielraum
- geeigneteres Material

Mehr Risikobereitschaft will man mit zunehmendem Alter immer weniger, und geeigneteres Material artet in eine Materialschlacht aus, bei der man schnell irgendwelchen Marketingphrasen auf den Leim geht.

Fast ohne Risiko und mit geringen Kosten kann man seine Kenntnis über Systemgrenzen verbessern und möglicherweise Systemeinstellungen so optimieren, dass sich maximaler Handlungsspielraum ergibt - diese beiden Möglichkeiten nicht zu nutzen, ist dann wiederum eine Erhöhung des Risikos - und das wollen wir ja eigentlich nicht.

Stellen wir also die Frage - und versuchen sie zu beantworten - wie wir zu mehr Systemverständnis kommen, damit wir die Spielräume im Bedarfsfall nutzen können und damit wir möglicherweise durch kleine Eingriffe oder veränderte Bedienmuster den Spielraum erweitern können, ohne das Betriebsrisiko zu erhöhen.
 
Und eins noch: "Mithalten wollen" schien Dir damals wohl wichtig, halte ich aber für eine ungünstige Fahrmotivation. Entweder man bleibt in seinem Wohlfühlbereich dran, oder man lässt den Schnelleren ziehen... so einfach ist das. Wenn der Schnellere nicht auf mich wartet, soll der seinen Spaß alleine haben.

Vollkommen richtig. Nur, Nachfahren ist leichter als vorfahren. Ich hatte mich bis auf den 1. Vorgearbeitet, der fuhr in die Boxengasse und ich musste mich dann selber orientieren. Die 1. Kurve nach der Zielgeraden habe ich falsch angefahren, beim Auspuffschleifen kam eine kleine Welle und tschüss. Das sind dann Erfahrungswerte für den Ernstfall.

Gruß Willi
 
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