Stützgas? Meinetwegen.
Vielleicht zu kurz gedacht, gehe ich aktuell davon aus, dass ein Reifen dort mehr verschleißt, wo starke Kräfte wirken.
Das passiert bei Verzögerung und Beschleunigung sowie erhöhter Radlast.
Die Kurve hab ich jetzt mal nicht explizit genannt, da es sich bei Kurvenfahrt ja um eine Beschleunigung quer zur Fahrtrichtung handelt.
Man kann nun bei gegebener Geschwindigkeit und Richtung die Radlast v/h manipulieren, in dem man mit den Instrumenten agiert, die eine Geschwindigkeitsänderung bewirken.
Bei Verzögerung steigt die Last vorne, bei Beschleunigung die Last hinten - einfach wegen der Schwerpunktverschiebung.
Bin ich in Schräglage und habe viel Last am Vorderrad und - so meine These - mithin erhöhten Verschleiß, kann ich die Last und den Verschleiß vorne ein wenig reduzieren, indem ich weniger verzögere respektive stärker beschleunige.
Die Beschleunigung in dieser Situation führt zum Einen zur erhöhten Radlast hinten und zum Anderen belastet ja auch die Beschleunigungsarbeit das Hinterrad - solange man nicht wild am Gas reißt, sondern sorgsam sowas einsetzt, was wohl mit Stützgas gemeint ist, wohl kaum mehr, als wenn man mit Motorschleppmoment leicht verzögert in Richtung Scheitelpunkt rollt, während das Vorderrad entlastet ist.
Das Hinterrad an der Flanke zu verschleißen, würde ich persönlich erstmal durch Gasanlegen NACH dem Scheitelpunkt aber durchaus noch in Schräglage versuchen. Ohne Schräglage ist ein Reifenverschleiß an der Reifenflanke sowohl vorne als auch hinten aus meiner Sicht undenkbar.
Verschleißt ein Hinterrad mehr in der Mitte, als an der Flanke, kommt entweder die Flanke wenig zum Einsatz (zu selten/zu wenig Schräglage) oder es wird auf der Flanke verhätnismäßig wenig belastet.
Beim Vorderrad ist es ähnlich. Verschleißt das Vorderrad mehr auf der Flanke, als in der Mitte, kommt entweder die Flanke sehr oft zum Einsatz und/oder wird dort außergewöhnlich stark belastet. Gemäß meiner These, kann man in diesem Fall die Lastverteilung ein wenig verschieben - also Radlast reduzieren, indem man zunächst in Geradeausfahrt auf dem Mittelbereich des Vorderrads die Kurve anbremst und dann eher mit Zug, als in der Motorbremse in den Scheitelpunkt fährt. Somit rollt das Vorderrad mit weniger Last durch die Kurve und wird - gemäß dieser These - auf der Flanke weniger verschlissen.
Ein völlig anderes Benutzerverhalten, das insbesondere von den Schnellen für die kompetetive Zeitenjagd auf Rundkursen empfohlen wird, nennt sich Trailbraking, also das sukkzesive reduzierte Anbremsen der Kurve bis kurz vor dem Scheitelpunkt - hier wird erhöhte Vorderradlast erzeugt, was vorteilhaft für die Lenkgeometrie (vorne eingetaucht ist der Nachlauf reduziert) und den Latsch am Vorderrad ist. Wie sich das hinsichtlich des Reifenabriebs auswirkt ist mir unklar - erfahrene Rennstreckentrailbraker können hier vielleicht weiterhelfen.
Soweit, so gut.
Da ich ja versuche kritisch zu hinterfragen: Es kann durchaus - entgegen der dargestellten These - so sein, dass bei Entlastung des Vorderrads (durch geringere Verzögerung/respektive moderate Beschleunigung in Kurvenfahrt) der Latsch geringer wird und dadurch ein weniger definierter Kraftschluss zwischen Reifen und Straße entsteht. Durch reduzierte Radlast, mithin reduzierter Reifenaufstandsfläche bei gegebener Seitenführungskraft kann der Schlupf größer werden, was nichts anderes bedeutet, als dass mehr abgeschertes Gummi auf der Straße bleibt. Möglicherweise ist es in diesem Fall vorteilhaft, den Reifendruck vorne etwas abzusenken, um den Latsch zu erhöhen und somit verschleißmindernd das Verhältnis aus Kraft und Aufstandsfläche zu reduzieren.
Ich halte es für grundsätzlich angeraten, fahrphysikalische Experimente innerhalb des vorgesehenen Funktionsbereichs der Reifen zu gestalten und Straßenführung sowie die Verkehrslage zu berücksichtigen - nicht dass mir jetzt einer mit 1.4bar im Vorderrad im Scheitelpunkt zum Wheely ansetzt, um das Vorderrad zu entlasten...
Falls es jemanden interessiert: ich hab im Leben noch nicht einen Reifen wegen abgefahrener Flanken wechseln müssen. Ich bin fast immer zuerst in der Mitte und eher selten in Halbschräglage an der Abfahrgrenze - immerhin fahr ich mir keine Kanten rein, aber Chickenstripes sind bei mir im Landstraßeneinsatz der Normalfall.
So, das waren jetzt ein paar Brocken hingeworfen, die vielleicht für den einen oder anderen unterhaltsam oder überlegenswert sind. Ich persönlich mache mir beim Fahren darüber wenig Gedanken - wenn ein Reifen bußgeldverdächtig wird, kommt ein Neuer drauf, egal an welcher Stelle der Alte teuer würde.