Politik Teil 1
(Weil der Text so lang geworden ist, poste ich ihn in zwei Teilen!)
Hmm, langsam wird's spannend.
Also, in Frankreich sind Massendemos traditionell hoch im Kurs (ging ja schon 1789 damit los...), ist fast so 'ne Art Volkssport, ?hnlich die italienischen Generalstreiks.
Neinnein, ich halte nicht viel von "Masse", "Volk als Gro?gemeinschaftsgruppe" und derlei Vokabular. Ich bin auch kein Vertreter von ?berm??igen plebiszit?ren Elementen, die repr?sentative Variante entlastet doch enorm. Man stelle sich vor - jeder m?sse sich um alles k?mmern, grauenvolle Vorstellung. (Was man mit "Volksmasse" so anstellen kann, kann man in den Schriften von Gustave Le Bon, v.a. "Psychologie der Massen", sowie den Reden des fr?heren Wiener B?rgermeister Lueger [Anfang 20. Jh.] studieren; sp?ter kamen dann gerade in D-land noch schr?gere Bsp. dazu; letztes gro?es Bsp. ist die Rede von H. Kohl in Dresden 1990, noch vor der Wende - wie er da die Demo aufgegriffen und um den Finger gewickelt hat, war schon grandios, hatte nur aber mit der sp?teren Politik so ?berhaupt nix zu tun, kann auch nicht, darf auch nicht!) Und die einzigen Demos, die wirklich fundamental eine Ver?nderung erbracht haben, waren die Vorwendedemos in der damaligen DDR (im langfristigen historischen Kontext ist das eine nicht hoch genug einzusch?tzende Leistung!!). Aber sonst - eben, h?bsche Inszenierung. Es geht mir dabei nicht um "d?rfen" oder "nicht d?rfen", sondern um strategische Effizienz - mit welchem Einsatz kann was bewegt werden. Und wenn ein Gewerkschaftschef mit einem Minister essen geht und beide ganz undemokratisch was ausmachen, ist der Effekt insges. h?her, als wenn mal wieder gro?demos durchs Land ziehen. on internationalen Gro?verhandlungen wei?man ja, dass im Vorfeld schon alles klar gemacht wurde - unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Das gro?e Palaver (G8-Gipfel und so) ist eine reine Medieninszenierung. Blo?es Theater f?r's Volk! Politische Telenovela. Mehr nicht. Das gilt ?brigens auch f?r ganz gro?angelegte Tarifverhandlungen. N?chtelang qu?len sich die Herren (und wenigen Damen) durch die Sitzungen, um dann ?berm?det f?r ihre jeweilige Klientel "Erfolge" pr?sentieren zu k?nnen. Die Grundlinien wurden shcon wenige Wochen vorher auf der Ebene von Referats- und Abteilungsleitern ausgehandelt. F?rs Fernsehen kommt dann noch der gro?e Showdown, da geht es dann um einige Zehntelprozentpunkte - Fingerhakeln, dass an sich substanzlos ist, aber immer prima aussieht.
Diener des Volkes? Ohoh, ich glaube, dass dann die Aufgabe eines Politikers granatenscharf mi?verstanden wird. Was ist denn bittesch?n das "Interesse der Bev?lkerung"? Das ist doch eine Phantasmagorie, ?hnlich, wie es "den W?hlerwillen" ja auch nicht gibt, weshalb ja alle Parteien nach Wahlen selbigen immer f?r sich reklamieren k?nnen.
Grundlegend gilt ja nach wie vor: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. Da jeder B?rger nur seine eigenen Interessen (inkl. einiger Randinteressen) im Blick hat, agiert bzw. w?hlt er nur diesen entsprechend. Die Politik hat aber immer alles im Blick zu behalten. Aufschlussreich ist das Interview mit dem Siemens-Chef Kleinfelder in der aktuellen ZEIT. Entlassungen findet er an sich pervers, wenn aber das Überleben einer Firma davon abh?ngt, dass das (im unternehmerischen Sinne) kranke Zehntel wegk?me, sei dies eine Notwendigkeit im Interesse der gesamten Firma. Dass dann nat?rlich zig Einzelschicksale dranh?ngen, darf ihn als Chef letztlich aber nicht interessieren, ihm muss es immer nur um das Wohl des Gesamtkonzerns gehen, NIE um die Einzelschicksale seiner Angestellten.
Des weiteren sollten grundlegende Konstruktionsfehler eher auf den Tisch, z.B. die Tatsache, dass die alliierten Siegerm?chte nach '45 eben keinen Zentralstaat mehr haben wollten, weshalb sie (das gilt jetzt nur f?r das damalige westliche "Trizonesien"; in der vormaligen SBZ sind die Dinge ja bekanntlich ganz anders gelaufen, wenngleich mit einem ?hnlichen Hintergrund) die Staatsmacht per Dekret ja eben nicht einer "Bundesregierung" verliehen haben, sondern den L?ndern mit ihren Ministerpr?sidenten. Unsere Bundesregierung ist staatsrechtlich in letzter Konsequenz nur eine Unterabteilung der L?nder - nicht umgekehrt, was meistens ?bersehen wird. Die L?nder haben halt immer mehr Befugnisse an den Bund abgegeben, sind sich ihrer staatsrechtlichen Position aber sehr bewusst, was man ja immer wieder bemerkt. Ähnlich auf europ?ischer Ebene - Br?ssel ist eigentlich eine Unterabteilung der Mitgliedsstaaten und deren Regierungen, die Kommission wird von den Nationalregierungen zusammengebastelt - dass das Parlament auch etwas mitreden darf (siehe die Niederlage zum ersten Wahlgang zur 1. Kommission Barroso), ist eher kosmetischer Natur, was ja viele mittlerweile auch f?r falsch halten. Gleichwohl regiert Br?ssel in einem Ma?in unseren Alltag, das wir gar nicht mehr mitbekommen. Also, die Bundesl?nder sind staatsrechtlich eigene Staaten - wenn Hessen keinen Bock mehr hat, macht es eben die Grenzen dicht, k?ndigt das Grundgesetz auf, ernennt eigene Verteidigungs-, Au?en- etc.-minister (einen de facto Europaminister hat ja jedes B-Land schon, genau wie eine offizielle Vertretung in Br?ssel, und bei Beratungen auf europ. Ebene hat z.B. Bremen im ministeriellen Abstimmungsprozess das gleiche Gewicht wie Frankreich, wei?leider auch kaum jemand!), druckt einen Hessentaler und stellt ?berall an den Grenzen Zollh?uschen auf. Klingt surreal, w?re aber aus der staatsrechtlichen Logik heraus denk- und machbar. Schon bei der Verfassung des GG wurde gekungelt und geschoben, es wurde nicht die L?sung gew?hlt, die "von der Sache her" die sinnvollste w?re, sondern die, die alle zufrieden stellte. (Bayerns MP Ehad und der NRW-Innenminister Menzel haben im Sommer 48 auf der sch?nen Insel Herrenchiemsee beim - demokratisch nicht legitimierten! - Verfassungskonvent bei einem kleinen Diner den Bundesrat in das GG reingeschmuggelt, gegen den Willen des machtbewussten Adenauer [der noch nicht Kanzler, sondern "nur "Pr?sident des Verfassungsgebenden Rates als Einrichtung der Alliierten war]; gerade Ehad wollte die neue Republik von den L?ndern her regieren, was ihm auch gelang; historisch kn?pfte er damit an die alte deutsche Kleinstaaterei an. Die alliierten Gener?le waren auch entspr. sauer, als ihnen der GG-Entwurf ?bergeben wurde, machten aber aus Zeitgr?nden mit [es war die Zeit kurz nach der Berlin-Blockade und man musste der sowjet. F?hrung dringend etwas eigenes entgegenstellen!], rieten nur den MPs, die L?ndergrenzen z?gig zu ?ndern, da sie in der von den Siegerm?chten - und bis heute bestehenden! - festgelegten Form politisch-praktisch und wirtschaftlich unsinnig seien. Diese Feststellung stimmt bis heute. Und bis heute hat sich an den L?ndergrenzen fast nichts ver?ndert.)
Das - "sachlich sinnvoll" und "alle zufriedenstellend" - sind n?mlich zwei Paar Schuhe. Nicht alles, was sinnvoll w?re, ist auch politisch durchsetzbar und stellt wahrlich nicht alle zufrieden! Und genau das ist der Job eines Politikers - in Sachfragen zu erkennen, was machbar ist (und nicht, was sinnvoll w?re!) und daf?r dann Mehrheiten organisieren, wobei es ohne Kompromisse dann nicht geht, weshalb ja so schr?ge Kisten dabei rauskommen ("Wenn ihr darauf verzichtet, den K?ndigungsschutz zu lockern, k?nnen wir einverstanden sein, dass die Renteneintrittsgrenze angehoben wird." - Diese beiden Sachpunkte haben an sich nichts miteinander zu tun, werden aber in politischen Verhandlungen zur reinen taktischen Verf?gungsmasse, damit beide Seiten ihr Gesicht wahren k?nnen! F?r ihre jeweilige Klientel, also f?r uns!) So, und deshalb, um die eigene Klientel zu bedienen, um zu sagen, was die h?ren wollen (auch, wenn das eigentlich gar nicht sachpolitisch machbar ist), gibt es im Wahlkampf eben die Veranstaltungen, auf denen "dem Volke" nach dem Munde geredet wird. Nur: Wenn ich alle bediene, mache ich es keinem recht. Ich erinnere in diesem Zshg. nur an die Vorabdebatte zum Thema "Ort des 1. Forumstreffen", gelt......
Ein weiteres Riesenthema ist die Finanzverfassung, die Anfang der 70er installierte Mischfinanzierung, ein Quell gr??ter Perversit?ten. (Auch hier wieder der Blick ins Ausland - im Zuge der Dezentralisierung Frankreichs wurde vor einige Jahren den Départements als Ausgleich f?r mehr Aufgaben das Aufkommen an der Mineral?lsteuer zugesprochen. Warum sollten jetzt also z.B. die Pariser Umlandgemeinden einem Ausbau des ÖPNV zustimmen, wenn dadurch deutlich weniger Autos f?hren, weniger Sprit verbraucht w?rde und sie somit weniger Geld h?tten? Von der Sache her - Umweltschutz, Reduzierung des Verkehrschaos' - w?re es aber sinnivoll!)
(Weiter im n?chsten Posting!)