Wasser statt Sprit... Afrikaprojekt

Ich mal wieder mit der Statusmeldung nach der diesjährigen Aktion in Guinea. 5 Wochen war mein Schwager vor Ort und hat zusammen mit Helfern und Handwerkern wieder mal einiges bewegt, was im Vorfeld vom Vor-Ort-Team gut vorbereitet war.
Wir haben drei weitere kleine Solarstationen installiert, das dritte Lehrerwohnhaus fertiggestellt (das wir vor zwei Jahren angefangen hatten und wegen Corona nicht fertigstellen konnten), haben eine Toilettenanlage für die Schule gebaut (für unsereins unvorstellbar, dass eine Schule mit 100 Schülern 6 Jahre lang ohne Toiletten betrieben werden konnte), haben alte Brunnen renoviert (neue Deckel/Einfassungen), haben neue Brunnen gegraben (u.a. bei der Schule), haben kleinere Schulbänke für die jüngsten und kleinsten Schüler beschafft und diverse kleinere Reparaturen an den bestehenden Gebäuden vorgenommen.
Eine ganze Menge Zeug für so kurze Zeit und anbetracht unseres eigentlich recht schmalen Budgets - das dank zahlreicher Spenden heute sehr viel größer ist, als zu Zeiten unserer Vereinsgründung. Aber um Geld soll's hier nicht gehen.

Die Situation vor Ort hat sich in makroskopischer Sicht ein wenig verschlechtert... wenige Meter hinter unserer Schule wurde eine neue Straße gebaut, auf der Schwertransporte von und zu einem Stauwerk stattfinden. Klingt blöd, ist noch blöder. Die Schwertransporte rütteln an den Wänden der Schule und wirbeln jede Menge Staub auf... sowas stört im Schulbetrieb. Und das Stauwerk... hat den Zugang zum Fluss unmöglich gemacht (als Anwohner hat man jetzt entweder einen Brunnen, oder Durst) und der dort erzeugte Strom wird nicht lokal angeboten, sondern dem Vernehmen nach ins Ausland verkauft... Weder über das Stauwerk, noch über die neue Straße wurden die Dorfbewohner im Vorfeld informiert - eine Zeit lang bestand die Sorge, dass wegen des Straßenbaus unser Schulgebäude abgerissen wird. Es gibt wirklich merkwürdige Ecken in dieser Welt und wer bei uns was zum meckern findet, soll sich freuen, dass das ziemlich harmlose Fehler des Systems sind.

Wir sind jedenfalls froh, dass wir vor Jahren mit unserer Brunneninfrastruktur die Unabhängigkeit vom Fluss ermöglicht haben... ansonsten hätten wir jetzt ein Dorf in Not und womöglich "Flüchtlinge" denen einfach ihre Lebensgrundlage entzogen wurde.
Wir freuen uns außerdem, dass die kleinen Photovoltaikstationen erstens recht robust gegernüber den klimatischen Bedingungen zu sein scheinen und dass der Strom genutzt wird (vorwiegend Beleuchtung).
Dass wir Schüler ausbilden, dass wir in Einzelfällen weiterführende Schulen ermöglichen können... das dauert alles lange und sieht an vielen Stellen ein bisschen hemdsärmelig aus, aber am Ende haben wir die Lebensqualität im Dorf und die Perspektiven der jungen Bewohner doch ein bisschen positiv beeinflusst.

Allen hier, die ihren Anteil daran haben, sei herzlich gedankt - und die anderen dürfen trotzdem glücklich sein, dass sie in einer Welt voller Wohlstand, Komfort und behördlicher Rücksichtnahme leben dürfen. Fühlt sich im Alltag manchmal nicht so an, aber ich glaube eine Woche Kassery und man sieht alles ein wenig anders...
 
Gestern war Mitgliederversammlung - wie sich das gehört sparen wir Sprit und machen das nach den COV19-Beschränkungen mittlerweile recht routiniert per Videokonferenz. Von insgesamt roundabout 60 geladenen Vereinsmitgliedern waren 13 tatsächlich dabei. Technisch noch mit Hausmitteln völlig problemlos. Ich geb mal einen kurzen Überblick, weil sich ja auch unter uns ein paar finden, die unterstützen und darauf vertrauen, dass wir das schon richtig machen... die anderen nehmen's einfach als Unterhaltungsprogramm mit Bick in eine andere Welt mit etwas anderer "Normalität" oder lesen einfach nicht weiter.
Dank einiger Großspenden von Zeitungen ("Schwäbische" Weihnachtsspendenaktion), Schulen oder Kirchengemeinden sind die laufenden Kosten für Brunnenunterhalt, Schulbetrieb (Lehrergehälter, Instandhaltung) und Schulstipendien praktisch gedeckt und durch Mitgliedsbeiträge und kleinere Spenden können wir neue Projekte angehen.
Ein Lehrer wird in 2023 250€ monatlich verdienen... nach einer Gehaltserhöhung - auch dort wird das Leben teurer, die Verfügbarkeit von so Zeug wie Nahrungsmitteln, Schuhen, Stoffen schlechter, weil erstens COV19 weltweit Spuren hinterlassen hat und weil der Getreidemarkt durch die imho völlig unsinnige Ukraineaktion des russischen Imperiums irritiert ist und zweitens weil der Fluss Konkourre, der wenige Kilometer von Kassery entfernt vor sich hinfloss mittlerweile zu einem eindrucksvollen Stausee aufgestaut wurde, der die bisherige Straße überflutet hat und so den direkten Weg über Kindia nach Conakry zu Vergangenheit gemacht hat.
Der Weg nach Conakry, wo im Hafen Güter aus aller Welt ankommen ist nun eine halbe Tagesreise länger - also fast 3 Tage für einen Weg. Der Strom den die chinesische Betreibergesellschaft am Stauwerk generiert wird natürlich nach Mali Exportiert und nicht in der näheren Umgebung verteilt. Ein guter Grund weiter an unserer PV-Inselstruktur zu arbeiten, die übrigens überraschend gut und stabil funktioniert. Mittlerweile etwa 2kW-Peak sind installiert und versorgen insbesondere die Anwohner in Schulnähe mit Licht aus Akkulampen, die tagsüber geladen werden können - sonst wär da vor und nach Sonnenuntergang einfach dunkel.
Den Schulabsolventen in unserem Dorf bieten wir teilweise Stipendien für weiterführende Schulen in Conakry an, ein Mädel studiert mittlerweile und wir finanzierten aktuell 14 Schülern ihre schulische Weiterentwicklung durch Stipendien - je nach Schule, Ort und Niveau zwischen 300 und 450€ pro Jahr.
In der Schule haben wir für die ganz Kleinen 10 kleinere Schulbänke anfertigen lassen, weil die normalen Schulbänke zu hoch für erste Schreibübungen im Stehen sind... jetzt können die im Sitzen arbeiten.
Brunnen wurde repariert und ein neuer gegraben, der Versuch einen Schulbrunnen zu graben verlief sprichwörtlich im Sand - also erfolglos. Dafür gibt es neue Sanitäranlagen bei der Schule, wo Jungs, Mädels und Lehrer getrennt "Sitzplätze" haben - wurde auch mal Zeit und man möcht nicht wissen wie das in den letzten Jahren gelaufen ist: 110 Schüler, 3 Lehrer... da kommt schon was an Biomasse zusammen.
Achja, alle Kids haben je ein Paar Schuhe bekommen - leider nur billigen China-Mist aus Plastik, aber für die teilweise etliche Kilometer langen Schulwege (und den Toilettenbesuch) besser als nix... ich wünsch mir ja insgeheim einen lokalen "Schuhmacher", der aus alten Reifen oder anderem verfügbaren Zeug Schlappen frickelt und seinen Lebensunterhalt damit verdient.
Soweit mal grob zum aktuellen Stand.

Geplant für 2023:
- neuer Brunnenversuch auf dem Schulgelände
- Mauer um das Schulgebäude, um vor Staub und Lärm der neuen Umgehungsstraße zu schützen, die die Chinesen 15m hinter der Schule angelegt haben um Material und Arbeiter zur Stauseebaustelle zu bringen - Schwerlastverkehr auf Piste... ziemlich blöd.
- wir sind gespannt wieviel Bedarf für unsere Nothilfeprogramm besteht, mit dem wir Menschen aus unverschuldeter Not (Krankheit, Wegfall von Verdienstmöglichkeiten u.ä.) zu helfen versuchen und ggf. Starthilfe für einen Neustart geben können
- und wenn sich Schüler anbieten, die wir weiter fördern können, dann sichern wir ggf. auch Weiterbildung durch neue Stipendien finanziell ab
- sofern beschaffbar, wollen wir auch weitere PV-Inselanlagen aufbauen

Mittelfristig erhoffe ich mir, dass in wenigen Jahren genug Energie und Raum für Kleingewerbe vor Ort verfügbar ist und die Menschen anfangen ihre Ideen in dem von uns geschaffenen Raum im Rahmen der vorhandenen Möglichkeiten und des lokalen Bedarfs zu verwirklichen. Aktuell haben wir immerhin erreicht, dass wir ein starkes verantwortliches Team vor Ort haben, das sich selbständig um den Erhalt kümmert, Maßnahmen plant und durchführt bzw. durchführen lässt, so dass wir lediglich einen Teil der Finanzierung leisten müssen, bzw. neue Möglichkeiten schaffen. In meinen Augen ist das in diesem Teil der völlig abgehängten Welt ein großer Erfolg... aus unserer Erstweltsicht, braucht's dort weder Licht noch Menschen... könnt man auch einfach wegknipsen und keiner würd's merken. Aus Sicht der Menschen die dort leben ist das natürlich ein wenig anders...

Vielleicht hat's ja jemanden angeregt oder zumindest in irgendeiner Form unterhalten - ich hab dann mal für's erste fertig.
 
Hallo Lothar,

Danke für die Statusmeldung zu Eurem Projekt in Kassery. Hört sich recht gut an. Die Hilfe kommt offenbar gut an.
Nicht so schön ist zu hören, wie China örtliche Infrastruktur erschwert und zerstört. Für Projekte, die nichtmal der einheimischen Bevölkerung dienen.
Ich hoffe für Kassery, dass das nicht noch dramatischer wird.

Und Danke für die Erinnerung... Spende ist wieder unterwegs.

angeregte Grüße
vom falo
 
Djarama, Olaf - so plump direkt wollt ich garnicht anregen... hatte mehr an "denken und wahrnehmen" gedacht - aber so ist ist auch gut. Danke dir in Vertretung!

Zu den Chinesen noch: die werden ja auch bei uns gerne gebasht - das sind die einzigen, die dort "irgendwas machen" und das birgt sowohl Chancen, als auch Risiken. Die neue Straße macht viel Ärger und wir sahen tatsächlich unsere Schule schon der Planierraupe weichen (ging ja nochmal gut) aber wenige Kilometer entfernt serhe ich auf Googlemaps auch neue Siedlungen - vermutlich von den Bauarbeitern. Neue Siedlung heißt immer auch mehr Menschen, neue Vermarktungsmöglichkeiten für "irgendwas" - und wenn die neue Straße mal bis Conakry durchgängig gebaut ist, wird sich die Reise- bzw. Transportdauer für Güter auch wieder verbessern.
Kritisch in Guinea ist vor allem die innenpolitische Situation nach einem Putsch in 2021 (wimre) - selbst die Westafrikanische Union (man könnte das großspurig als sowas wie die EU beschreiben) fordert Neuwahlen von Guinea bis Ende 2023... die aktuelle Regierung macht einfach nichts, was in irgendeiner Weise dem Volk zu irgendwas nützen würde. Dazu die Pandemie... ist wohl nicht lustig und die Chinesen sind da eher der Lichtblick, weil sie Waren importieren und Arbeitsplätze schaffen (großteils aber mit eigenem mitgebrachtem Personal besetzen)...

Hier mal noch ein Link, wie's dort bei gugglmeps aussieht: https://www.google.de/maps/search/ecole+kassery/@10.5362613,-12.9701518,897m/data=!3m2!1e3!4b1
Die "alte" N24 (also Nationalstraße/Bundesstraße aber endurofreundliche Piste) liegt auf dem Weg nach Süden erkennbar unter Wasser und die "neue" Straße verläuft derzeit östlich durchs Hinterland - wird aber - so denke ich - irgendwann nach Süden in Richtung Conakry erweitert. Der Stausee kann mittelfristig vielleicht Fischerei oder Fährbetrieb ermöglichen... es gibt da schon potentielle neue Chancen von denen aktuell aber keiner weiß, ob sie den Lebensunterhalt sichern können.
 
Den Thread mal wieder hochgeholt - es gibt Neuigkeiten. Seit einigen Wochen ist Solomon wieder vom Arbeitseinsatz in Guinea zurück. Dieses Jahr war eine Mauer um das Schulgelände das größte Einzrlvorhaben. Ich hatte ja berichtet, dass für die Bauarbeiten an einem nahegelegenen Stausee eine neue Straße gebaut wurde, die nur wenige Meter am Schulgebäude vorbei führt... Dreck und Lärm haben schon ein wenig gestört. Daher als Schallschutz und Staubbarriere die Mauer... ca. 450m Länge sind's um das Schulgelände (mit allem drum und dran etwa ein Hektar), ein paar Türen damit man reinkommt und ein großes Tor damit man auch Baumaterialien o.ä. mit einem Fahrzeug anliefern kann. Etwa 3 Meter hoch, damit's auch die Wirkung hat, die beabsichtigt war. Steine natürlich von Hand regional angefertigt. Ihr könnt gerne ausrechnen, wieviele Steine gemacht wurden und schätzen, wie lange die Fertigung einen Arbeiter in Lohn unf Brot stellt, wenn er als Werkzeuge lediglich Handwerkszeug wie Schaufeln, Kellen und Holzförmchen hat... das ganze Zeug nachher zu vermauern hat dann 8 Maurer etwa 2 Wochen beschäfftigt - wir schaffen also Arbeitsplätze.

Da die Regenzeit bereits angefangen hatte, machte es keinen Sinn nach Wasser zu graben - Wasser gab's überall genug und egal wo man ein Loch gräbt ist Wasser drin... heikel sind ja die Monate ohne Regen und ein Brunnen taugt nur, wenn er in der Trockenzeit Wasser hat... unser Brunnenteam war ein wenig enttäuscht, dass wir keinen Job anbieten konnten. Nächstes Jahr ist der Einsatz etwas früher am Ende der Trockenzeit geplant - wenn man da Wasser findet, hat man das ganze Jahr Wasser.

Erste Reparaturen an den PV-Anlagen waren fällig. Die Elektronik ist dann im tropischen Klima wohl doch keine 10 Jahre einsatzfähig... aber nach drei Jahren Dauerbetrieb darf so ein Laderegler/Spannungswandler schonmal abrauchen... einer von vier... wir haben da ein Auge drauf. Stromversorgung wird von den Leuten wertgeschätzt - auch wenn für's ganze Dorf pro Tag nur einstellige kWh verfügbar sind.

Weil beim Mauerbau Zement übrig war und auch Steine wurde kurzerhand das Fundament für die neue Schule betoniert und die Mauern hochgezogen. Dann waren für Solomon 4 arbeitsreiche Wochen zuende. Rückflug. Das Vor-Ort-Team organisiert derzeit Holz und einen Zimmermann, damit auf das neue Schulhaus ein Dacj kommt bevor die Regenzeit so richtig Gas gibt, Wände umwirft und die Vegetation den Rohbau zurückerobert... hatten wir ja, als vor zwei Jahren wegen Corona kein Material geliefert werden konnte und dann eine Baustelle halb fertig gegen die Naturgewalten keine Chance hatte...

Die neue Schule wird aus verschiedenen Gründen gebaut:
- 4 Klassenzimmer statt nur 3 ermöglicht feinere Abstufung der Lernniveaus/Lerngruppen/Klassen
- vorteilhaftere Raumaufteilung
- in der alten Schule sind 3 Räume für gesellschaftliche Zwecke nutzbar (z.B. Werkraum für die Schüler, Vorbereitungs- und Materialraum für die Lehrer, Werkstatt für Gewerbe - konkret angedacht: Näherei für Schuluniformen)

Ich fand es ziemlich beeindruckend, was Solomon auch dieses Jahr wieder geleistet hat, freue mich sehr, wenn ich sehe, dass wir mit unserer Vereinsarbeit dort vernünftig bezahlte Arbeit erzeugen von denen Menschen zum einen leben können und zum anderen etwas für die Entwicklung des Dorfes tun. Wir sind einerseits Arbeitgeber und Sponsor, aber wir beobachten, dass sich vor Ort Verantwortung entwickelt und nach und nach eigene Ideen entstehen, wie wit das Projekt weiterentwickeln können, und es entsteht Eigeninnitiative vor Ort bezüglich Erhalt, Nutzung und Erweiterung.

Ein ziemlich cooles Projekt nimmt so langsam Gestalt an, die Menschen lehnen sich nicht zurück, weil alles ohne eigenes Zutun etwas komfortabler wurde, sondern sie sehen die Chance das Projekt noch stärker zu machen, indem sie mitarbeiten, ihre Ideen und Arbeitskraft investieren.

Gefällt mir gut, wie sich das entwickelt! Wenn's euch auch gefällt und grad drei Groschen übrig sind... jaja, ich bettle gerade wieder... unter www.djarama.de findet ihr aktuelle Infos zwar etwas später als hier, aber immer und jederzeit Kontaktdaten und Kontonummern für Spenden. Soweit mal - hab bestimmt irgendwas vergessen - sorry schonmal dafür.
 
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